APRIL 2023 - JANUAR 2024
HOMO LUDENS
ÜBER DAS SPIEL DER KUNST
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.”
Friedrich Schiller, 1795
Zu sehen waren Werke von folgenden Künstlern:
Carl Andre, Hermine Anthoine, Miroslav Balka, John Baldessari, Lothar Baumgarten, Rolf Bergmeier, Joseph Beuys, Guillaume Bijl, John Bock, Baldur Burwitz, Michael Buthe, Chapman Brothers, Maurizio Cattelan, Martin Creed, Max Cole, Hanne Darboven, Samy Deluxe, Madeleine Dietz, Henrik Eiben, Johannes Esper, Brendan Fowler, Tom Früchtl, Hamish Fulton, Os Gemeos, Markus Genesius | WOW 123, Liam Gillick, Gregory Green, Katharina Grosse, Hans Haacke, Georg Herold, Horst Hellinger, Edgar Hofschen, General Idea, Christian Jankowski, Folkert DeJong, Seljia Kameric, Jon Kessler, Mike Kelley, Suchan Kinoshita, Edward und Nancy Reddin Kienholz, Franticek Klossner, Terence Koh, Magda Krawcewicz, Alicia Kwade, Peter Land, Rachel Lachowicz, Wolfgang Laib, Sherrie Levine, Maria Marshall,Thom Merrick, Jonathan Meese, Olaf Metzel, Jill Miller, Piotr Nathan, Bruce Nauman, Ernesto Neto, Tim Noble & Sue Webster, Damian Ortega, C.O.Paeffgen, Markus Paetz, Guiseppe Penone, Dan Peterman, Wolfgang Petrick, Merlin Reichart, Klaus Rinke, Ugo Rondinone, Reiner Ruthenbeck, Ursula von Rydingsvard, Sam Samore, Roman Signer, Michael Schmeichel, Werner Schreib, Patrick Sellmann, Santiago Sierra, Andreas Slominski, Haim Steinbach, Toshiya Kobayashi, Dimitris Tzamouranis, Rikuo Ueda, Vitché, Nicole Wermers, Erwin Wurm, Iskender Yediler.
Ab 23. April 2023 - Mit dem Gedanken an Schillers These zum Spielelement in der Kultur gaben wir erneut Einblicke in die „Sammlung Reinking“.
In allen Kulturkreisen werden die Zwänge der Natur und die Gewalt der Triebe durch die Hingabe an das Selbstzwecklose und den Sinn für das Überflüssige im Spiel zivilisiert. Kultur ist allem voran die Verkörperung der Freiheit.
Erzählt wurde eine Geschichte der postmodernen und zeitgenössischen Kunst aus dem Geist des Spiels heraus. „Themenräume“ behandelten laborartig gesellschaftliche und kosmische Zustände und Zusammenhänge: die Suche nach Identität und Geschlecht, das Spiel mit Zeit und Raum, Körper und Natur.
Die Ausstellung zeigte in einer doppelten Deutung den „homo ludens“, den spielenden Menschen: In der Definition eines forschenden Künstlertums, das sich in Versuchsanordnungen und Abwägungen mit der eigenen Realität auseinandersetzt, seine Bildsprache definiert und so zu einem persönlichen künstlerischen Vokabular findet. Sowie im kreativen Spiel des Sammlers mit den ausgewählten Objekten. Der Sammler „malt“ sich, wie es Duchamp so treffend formuliert hat, „selbst seine Sammlung“. Indem er auswählt, kombiniert und arrangiert wird er zum „Künstler im Quadrat“. (Marcel Duchamp)
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga unterstreicht Schillers Betrachtungen über die Ästhetik in seinem Hauptwerk „Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel“, 1938.
Das Spiel der Kunst ermuntert den Menschen mit all seinen Kräften zu spielen durch Verstand, Gefühl, Einbildungskraft, Erinnerung und Erwartung. Indem Huizinga sagt „Der moderne Apparat von Publizität, mit literarisch aufgebauschter Kunstkritik, mit Ausstellungen und Vorträgen, ist geeignet, den Spielcharakter der Kunstäußerungen zu erhöhen“ nimmt er auch das Geschehen der heutigen, uns bekannten Kunstwelt mit all ihrer Ausartung ein Stück weit vorweg.
Abseits der Wirkungswelt des „modernen Kunstapparates“ zielt die Sammlung Reinking in erster Linie auf ein sehr menschliches Sich-Erschließen der Welt.
Mal augenzwinkernd, mal mit tiefem Ernst zeigen wir über 80 internationale Künstlerpositionen in einem Kulturkreise und Generationen übergreifenden Dialog. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen sich durch die Betrachtung der Werke und ihrer wechselseitigen Bezüge die Welt in ihren Facetten zu erschließen und dabei auch mehr über das eigene Selbst zu erfahren.
APRIL 2023 - JANUAR 2024
TIMES
In der Halle der WAI Galleries zeigten wir erstmals parallel eine zweite Ausstellung.
TIMES zeigte Werke von Vanessa Beecroft, Dimitris Tzamouranis und Thomas Judisch.
Im Zentrum dieser Ausstellung stand die mehrstündige Videoarbeit „VB48“ von Vanessa Beecroft.
Am 3. Juli 2001, kurz vor der Konferenz der G8 in Genua, inszeniert die italienische Künstlerin Vanessa Beecroft im Saal des Palazzo Ducale afrikanische Migrantinnen nach der Art eines Tableau vivant. Ihr an Caravaggio erinnerndes Werk spielt mit dem Kontrast von Macht und Ohnmacht, verkörpert durch die Paläste der Stadt und die Verletzlichkeit der afrikanischen Migrantinnen, die wie verloren in dessen Mauern stehen.
Flankiert wurde „VB48“ von Malereien des griechischen Künstlers Dimitris Tzamouranis aus dessen Serie „Mare Nostrum“.
Das Konzept, das den Malereien zugrunde liegt, beruht auf dem Gebrauch einer rhetorischen Figur. Tzamouranis arbeitet in diesen Bildern mit der Figur der Verkehrung. Er zeigt in ihnen etwas, was er im Grunde gar nicht zeigt.
Seine Meeransichten bezeichnen ganz präzise Orte, die durch die geografischen Koordinaten der Titel kenntlich gemacht werden. Dort sind in der Vergangenheit Flüchtlinge bei dem Versuch, auf illegalem Weg Europa zu erreichen, mit ihren Schiffen untergegangen und gestorben. Sie wollten von Nordafrika aus auf verschiedenen Routen Griechenland oder Italien erreichen. Der Künstler ist mit seinem Boot vom griechischen Kalamata aus, seiner Geburtsstadt, diesen Fluchtwegen hinterher gesegelt. Bis dahin, wo sich die Tragödien ereignet haben. In eine von ihm erstellte Seekarte, die seine „Mare Nostrum"- Bilder begleiten, hat Dimitris Tzamouranis die Unglücksorte eingetragen. Im Grunde werden seine Werke dadurch zu Memorabilien. Mit Hilfe gemalter Allegoresen halten sie die Erinnerung an die Katastrophen wach. Absenz und Präsenz, die Toten und das Meer, sind dialektisch aufeinander bezogen.
Das Meer zeigt sich hier nicht wie in so vielen Seestücken der Vergangenheit als erhabenes Naturwunder, das es vom Betrachter andächtig zu feiern und zu bestaunen gilt, sondern eher als eine Art brüllendes Ungeheuer*.
Eine Mauer aus Schlafsäcken positionierte sich neben diesen Werken mitten im Raum. Bei genauerem Hinsehen erfährt man, das die Hüllen mit Zeitungspapier gefüllt sind. Randvoll gestopft mit täglichen Meldungen des politischen Geschehens aus aller Welt. Also doch keine echten Schlafsäcke, sondern nur das romantische Bild einer Reisegruppe oder gar die traurige Realität Jener, die auf der Flucht sind und Schutz suchen?
Die Skulptur „Tausend und eine Nacht“ von dem Dresdner Bildhauer Thomas Judisch lädt zum Gebrauch ein. Sie gibt Halt und hilft, sich mit den Werken zu verbinden.
Vanessa Beecroft | Courtesy Sammlung Reinking
Dimitris Tzamouranis | Courtesy Sammlung Reinking / Galerie Michael Haas
Thomas Judisch | Courtesy the Artist
*aus: Lebensreise. Zu den "Mare Nostrum"-Bildern von Dimitris Tzamouranis, Michael Stoeber, 2017.
APRIL 2023 - JANUAR 2024
HOMO LUDENS
ÜBER DAS SPIEL DER KUNST
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.”
Friedrich Schiller, 1795
Ab 23. April 2023 - Mit dem Gedanken an Schillers These zum Spielelement in der Kultur gaben wir erneut Einblicke in die „Sammlung Reinking“.
In allen Kulturkreisen werden die Zwänge der Natur und die Gewalt der Triebe durch die Hingabe an das Selbstzwecklose und den Sinn für das Überflüssige im Spiel zivilisiert. Kultur ist allem voran die Verkörperung der Freiheit.
Erzählt wurde eine Geschichte der postmodernen und zeitgenössischen Kunst aus dem Geist des Spiels heraus. „Themenräume“ behandelten laborartig gesellschaftliche und kosmische Zustände und Zusammenhänge: die Suche nach Identität und Geschlecht, das Spiel mit Zeit und Raum, Körper und Natur.
Die Ausstellung zeigte in einer doppelten Deutung den „homo ludens“, den spielenden Menschen: In der Definition eines forschenden Künstlertums, das sich in Versuchsanordnungen und Abwägungen mit der eigenen Realität auseinandersetzt, seine Bildsprache definiert und so zu einem persönlichen künstlerischen Vokabular findet. Sowie im kreativen Spiel des Sammlers mit den ausgewählten Objekten. Der Sammler „malt“ sich, wie es Duchamp so treffend formuliert hat, „selbst seine Sammlung“. Indem er auswählt, kombiniert und arrangiert wird er zum „Künstler im Quadrat“. (Marcel Duchamp)
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga unterstreicht Schillers Betrachtungen über die Ästhetik in seinem Hauptwerk „Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel“, 1938.
Das Spiel der Kunst ermuntert den Menschen mit all seinen Kräften zu spielen durch Verstand, Gefühl, Einbildungskraft, Erinnerung und Erwartung. Indem Huizinga sagt „Der moderne Apparat von Publizität, mit literarisch aufgebauschter Kunstkritik, mit Ausstellungen und Vorträgen, ist geeignet, den Spielcharakter der Kunstäußerungen zu erhöhen“ nimmt er auch das Geschehen der heutigen, uns bekannten Kunstwelt mit all ihrer Ausartung ein Stück weit vorweg.
Abseits der Wirkungswelt des „modernen Kunstapparates“ zielt die Sammlung Reinking in erster Linie auf ein sehr menschliches Sich-Erschließen der Welt.
Mal augenzwinkernd, mal mit tiefem Ernst zeigen wir über 80 internationale Künstlerpositionen in einem Kulturkreise und Generationen übergreifenden Dialog. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen sich durch die Betrachtung der Werke und ihrer wechselseitigen Bezüge die Welt in ihren Facetten zu erschließen und dabei auch mehr über das eigene Selbst zu erfahren.
Zu sehen waren sind Werke von folgenden Künstlern:
Carl Andre, Hermine Anthoine, Miroslav Balka, John Baldessari, Lothar Baumgarten, Rolf Bergmeier, Joseph Beuys, Guillaume Bijl, John Bock, Baldur Burwitz, Michael Buthe, Chapman Brothers, Maurizio Cattelan, Martin Creed, Max Cole, Hanne Darboven, Samy Deluxe, Madeleine Dietz, Henrik Eiben, Johannes Esper, Brendan Fowler, Tom Früchtl, Hamish Fulton, Os Gemeos, Markus Genesius | WOW 123, Liam Gillick, Gregory Green, Katharina Grosse, Hans Haacke, Georg Herold, Horst Hellinger, Edgar Hofschen, General Idea, Christian Jankowski, Folkert DeJong, Seljia Kameric, Jon Kessler, Mike Kelley, Suchan Kinoshita, Edward und Nancy Reddin Kienholz, Franticek Klossner, Terence Koh, Magda Krawcewicz, Alicia Kwade, Peter Land, Rachel Lachowicz, Wolfgang Laib, Sherrie Levine, Maria Marshall,Thom Merrick, Jonathan Meese, Olaf Metzel, Jill Miller, Piotr Nathan, Bruce Nauman, Ernesto Neto, Tim Noble & Sue Webster, Damian Ortega, C.O.Paeffgen, Markus Paetz, Guiseppe Penone, Dan Peterman, Wolfgang Petrick, Merlin Reichart, Klaus Rinke, Ugo Rondinone, Reiner Ruthenbeck, Ursula von Rydingsvard, Sam Samore, Roman Signer, Michael Schmeichel, Werner Schreib, Patrick Sellmann, Santiago Sierra, Andreas Slominski, Haim Steinbach, Toshiya Kobayashi, Dimitris Tzamouranis, Rikuo Ueda, Vitché, Nicole Wermers, Erwin Wurm, Iskender Yediler.
APRIL 2023 - JANUAR 2024
TIMES
In der Halle der WAI Galleries zeigten wir erstmals parallel eine zweite Ausstellung.
TIMES zeigt Werke von Vanessa Beecroft, Dimitris Tzamouranis und Thomas Judisch.
Im Zentrum dieser Ausstellung stand die mehrstündige Videoarbeit „VB48“ von Vanessa Beecroft.
Am 3. Juli 2001, kurz vor der Konferenz der G8 in Genua, inszeniert die italienische Künstlerin Vanessa Beecroft im Saal des Palazzo Ducale afrikanische Migrantinnen nach der Art eines Tableau vivant. Ihr an Caravaggio erinnerndes Werk spielt mit dem Kontrast von Macht und Ohnmacht, verkörpert durch die Paläste der Stadt und die Verletzlichkeit der afrikanischen Migrantinnen, die wie verloren in dessen Mauern stehen.
Flankiert wurde „VB48“ von Malereien des griechischen Künstlers Dimitris Tzamouranis aus dessen Serie „Mare Nostrum“.
Das Konzept, das den Malereien zugrunde liegt, beruht auf dem Gebrauch einer rhetorischen Figur. Tzamouranis arbeitet in diesen Bildern mit der Figur der Verkehrung. Er zeigt in ihnen etwas, was er im Grunde gar nicht zeigt.
Seine Meeransichten bezeichnen ganz präzise Orte, die durch die geografischen Koordinaten der Titel kenntlich gemacht werden. Dort sind in der Vergangenheit Flüchtlinge bei dem Versuch, auf illegalem Weg Europa zu erreichen, mit ihren Schiffen untergegangen und gestorben. Sie wollten von Nordafrika aus auf verschiedenen Routen Griechenland oder Italien erreichen. Der Künstler ist mit seinem Boot vom griechischen Kalamata aus, seiner Geburtsstadt, diesen Fluchtwegen hinterher gesegelt. Bis dahin, wo sich die Tragödien ereignet haben. In eine von ihm erstellte Seekarte, die seine „Mare Nostrum"- Bilder begleiten, hat Dimitris Tzamouranis die Unglücksorte eingetragen. Im Grunde werden seine Werke dadurch zu Memorabilien. Mit Hilfe gemalter Allegoresen halten sie die Erinnerung an die Katastrophen wach. Absenz und Präsenz, die Toten und das Meer, sind dialektisch aufeinander bezogen.
Das Meer zeigt sich hier nicht wie in so vielen Seestücken der Vergangenheit als erhabenes Naturwunder, das es vom Betrachter andächtig zu feiern und zu bestaunen gilt, sondern eher als eine Art brüllendes Ungeheuer*.
Eine Mauer aus Schlafsäcken positionierte sich neben diesen Werken mitten im Raum. Bei genauerem Hinsehen erfährt man, das die Hüllen mit Zeitungspapier gefüllt sind. Randvoll gestopft mit täglichen Meldungen des politischen Geschehens aus aller Welt. Also doch keine echten Schlafsäcke, sondern nur das romantische Bild einer Reisegruppe oder gar die traurige Realität Jener, die auf der Flucht sind und Schutz suchen?
Die Skulptur „Tausend und eine Nacht“ von dem Dresdner Bildhauer Thomas Judisch lädt zum Gebrauch ein. Sie gibt Halt und hilft, sich mit den Werken zu verbinden.
Vanessa Beecroft | Courtesy Sammlung Reinking
Dimitris Tzamouranis | Courtesy Sammlung Reinking / Galerie Michael Haas
Thomas Judisch | Courtesy the Artist
*aus: Lebensreise. Zu den "Mare Nostrum"-Bildern von Dimitris Tzamouranis, Michael Stoeber, 2017.
Folgen Sie uns auf Instagram
WOODS ART INSTITUTE
GOLFSTRASSE 5, 21465 WENTORF BEI HAMBURG
INFO@WOODSARTINSTITUTE.COM
@woodsartinstitute AUF INSTAGRAM
WAI WOODS ART INSTITUTE
GOLFSTRASSE 5
21465 WENTORF BEI HAMBURG