APRIL 2023 - JANUAR 2024
HOMO LUDENS
ÜBER DAS SPIEL DER KUNST
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.”
Friedrich Schiller, 1795
Zu sehen waren Werke von folgenden Künstlern:
Carl Andre, Hermine Anthoine, Miroslav Balka, John Baldessari, Lothar Baumgarten, Rolf Bergmeier, Joseph Beuys, Guillaume Bijl, John Bock, Baldur Burwitz, Michael Buthe, Chapman Brothers, Maurizio Cattelan, Martin Creed, Max Cole, Hanne Darboven, Samy Deluxe, Madeleine Dietz, Henrik Eiben, Johannes Esper, Brendan Fowler, Tom Früchtl, Hamish Fulton, Os Gemeos, Markus Genesius | WOW 123, Liam Gillick, Gregory Green, Katharina Grosse, Hans Haacke, Georg Herold, Horst Hellinger, Edgar Hofschen, General Idea, Christian Jankowski, Folkert DeJong, Seljia Kameric, Jon Kessler, Mike Kelley, Suchan Kinoshita, Edward und Nancy Reddin Kienholz, Franticek Klossner, Terence Koh, Magda Krawcewicz, Alicia Kwade, Peter Land, Rachel Lachowicz, Wolfgang Laib, Sherrie Levine, Maria Marshall,Thom Merrick, Jonathan Meese, Olaf Metzel, Jill Miller, Piotr Nathan, Bruce Nauman, Ernesto Neto, Tim Noble & Sue Webster, Damian Ortega, C.O.Paeffgen, Markus Paetz, Guiseppe Penone, Dan Peterman, Wolfgang Petrick, Merlin Reichart, Klaus Rinke, Ugo Rondinone, Reiner Ruthenbeck, Ursula von Rydingsvard, Sam Samore, Roman Signer, Michael Schmeichel, Werner Schreib, Patrick Sellmann, Santiago Sierra, Andreas Slominski, Haim Steinbach, Toshiya Kobayashi, Dimitris Tzamouranis, Rikuo Ueda, Vitché, Nicole Wermers, Erwin Wurm, Iskender Yediler.
Ab 23. April 2023 - Mit dem Gedanken an Schillers These zum Spielelement in der Kultur gaben wir erneut Einblicke in die „Sammlung Reinking“.
In allen Kulturkreisen werden die Zwänge der Natur und die Gewalt der Triebe durch die Hingabe an das Selbstzwecklose und den Sinn für das Überflüssige im Spiel zivilisiert. Kultur ist allem voran die Verkörperung der Freiheit.
Erzählt wurde eine Geschichte der postmodernen und zeitgenössischen Kunst aus dem Geist des Spiels heraus. „Themenräume“ behandelten laborartig gesellschaftliche und kosmische Zustände und Zusammenhänge: die Suche nach Identität und Geschlecht, das Spiel mit Zeit und Raum, Körper und Natur.
Die Ausstellung zeigte in einer doppelten Deutung den „homo ludens“, den spielenden Menschen: In der Definition eines forschenden Künstlertums, das sich in Versuchsanordnungen und Abwägungen mit der eigenen Realität auseinandersetzt, seine Bildsprache definiert und so zu einem persönlichen künstlerischen Vokabular findet. Sowie im kreativen Spiel des Sammlers mit den ausgewählten Objekten. Der Sammler „malt“ sich, wie es Duchamp so treffend formuliert hat, „selbst seine Sammlung“. Indem er auswählt, kombiniert und arrangiert wird er zum „Künstler im Quadrat“. (Marcel Duchamp)
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga unterstreicht Schillers Betrachtungen über die Ästhetik in seinem Hauptwerk „Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel“, 1938.
Das Spiel der Kunst ermuntert den Menschen mit all seinen Kräften zu spielen durch Verstand, Gefühl, Einbildungskraft, Erinnerung und Erwartung. Indem Huizinga sagt „Der moderne Apparat von Publizität, mit literarisch aufgebauschter Kunstkritik, mit Ausstellungen und Vorträgen, ist geeignet, den Spielcharakter der Kunstäußerungen zu erhöhen“ nimmt er auch das Geschehen der heutigen, uns bekannten Kunstwelt mit all ihrer Ausartung ein Stück weit vorweg.
Abseits der Wirkungswelt des „modernen Kunstapparates“ zielt die Sammlung Reinking in erster Linie auf ein sehr menschliches Sich-Erschließen der Welt.
Mal augenzwinkernd, mal mit tiefem Ernst zeigen wir über 80 internationale Künstlerpositionen in einem Kulturkreise und Generationen übergreifenden Dialog. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen sich durch die Betrachtung der Werke und ihrer wechselseitigen Bezüge die Welt in ihren Facetten zu erschließen und dabei auch mehr über das eigene Selbst zu erfahren.
APRIL 2023 - JANUAR 2024
TIMES
In der Halle der WAI Galleries zeigten wir erstmals parallel eine zweite Ausstellung.
TIMES zeigte Werke von Vanessa Beecroft, Dimitris Tzamouranis und Thomas Judisch.
Im Zentrum dieser Ausstellung stand die mehrstündige Videoarbeit „VB48“ von Vanessa Beecroft.
Am 3. Juli 2001, kurz vor der Konferenz der G8 in Genua, inszeniert die italienische Künstlerin Vanessa Beecroft im Saal des Palazzo Ducale afrikanische Migrantinnen nach der Art eines Tableau vivant. Ihr an Caravaggio erinnerndes Werk spielt mit dem Kontrast von Macht und Ohnmacht, verkörpert durch die Paläste der Stadt und die Verletzlichkeit der afrikanischen Migrantinnen, die wie verloren in dessen Mauern stehen.
Flankiert wurde „VB48“ von Malereien des griechischen Künstlers Dimitris Tzamouranis aus dessen Serie „Mare Nostrum“.
Das Konzept, das den Malereien zugrunde liegt, beruht auf dem Gebrauch einer rhetorischen Figur. Tzamouranis arbeitet in diesen Bildern mit der Figur der Verkehrung. Er zeigt in ihnen etwas, was er im Grunde gar nicht zeigt.
Seine Meeransichten bezeichnen ganz präzise Orte, die durch die geografischen Koordinaten der Titel kenntlich gemacht werden. Dort sind in der Vergangenheit Flüchtlinge bei dem Versuch, auf illegalem Weg Europa zu erreichen, mit ihren Schiffen untergegangen und gestorben. Sie wollten von Nordafrika aus auf verschiedenen Routen Griechenland oder Italien erreichen. Der Künstler ist mit seinem Boot vom griechischen Kalamata aus, seiner Geburtsstadt, diesen Fluchtwegen hinterher gesegelt. Bis dahin, wo sich die Tragödien ereignet haben. In eine von ihm erstellte Seekarte, die seine „Mare Nostrum"- Bilder begleiten, hat Dimitris Tzamouranis die Unglücksorte eingetragen. Im Grunde werden seine Werke dadurch zu Memorabilien. Mit Hilfe gemalter Allegoresen halten sie die Erinnerung an die Katastrophen wach. Absenz und Präsenz, die Toten und das Meer, sind dialektisch aufeinander bezogen.
Das Meer zeigt sich hier nicht wie in so vielen Seestücken der Vergangenheit als erhabenes Naturwunder, das es vom Betrachter andächtig zu feiern und zu bestaunen gilt, sondern eher als eine Art brüllendes Ungeheuer*.
Eine Mauer aus Schlafsäcken positionierte sich neben diesen Werken mitten im Raum. Bei genauerem Hinsehen erfährt man, das die Hüllen mit Zeitungspapier gefüllt sind. Randvoll gestopft mit täglichen Meldungen des politischen Geschehens aus aller Welt. Also doch keine echten Schlafsäcke, sondern nur das romantische Bild einer Reisegruppe oder gar die traurige Realität Jener, die auf der Flucht sind und Schutz suchen?
Die Skulptur „Tausend und eine Nacht“ von dem Dresdner Bildhauer Thomas Judisch lädt zum Gebrauch ein. Sie gibt Halt und hilft, sich mit den Werken zu verbinden.
Vanessa Beecroft | Courtesy Sammlung Reinking
Dimitris Tzamouranis | Courtesy Sammlung Reinking / Galerie Michael Haas
Thomas Judisch | Courtesy the Artist
*aus: Lebensreise. Zu den "Mare Nostrum"-Bildern von Dimitris Tzamouranis, Michael Stoeber, 2017.
MAI 2022 - JANUAR 2023
RETROSPEKTIVE WOLFGANG PETRICK
„JEDE GROSSE UND SCHÖNE ARBEIT ENTSTAND ZUNÄCHST DURCH EINEN NICHT ZURÜCKSCHRECKENDEN BLICK IN DIE DUNKELHEIT” *
Werke aus den Jahren 1958-2022
Arne Rautenbergs Rede zur Eröffnung:
Heutungen und Leidbilder
– Eine Annäherung an das Werk von Wolfgang Petrick –
PDF herunterladen (38KB)
Wie lässt sich die von Verzerrungen, Deformationen und Montagen gespickte Bildwelt des 1939 in Berlin geborenen Wolfgang Petrick strukturieren und einordnen? Und wie hochaktuell ist sie in Zeiten von Pandemie, Krieg und drohender Rohstoffknappheit?
Mit der Ausstellung im WAI Woods Art Institute wurde zum ersten Mal der Versuch einer großangelegten Retrospektive dieses im besten Sinne „außerordentlichen“ deutschen Nachkriegskünstlers mit ausgeprägtem Hang zur US-Metropole New York unternommen. Gezeigt wurden Malerei, Zeichnung, Druck, Objekt, Skulptur und Installation aus allen Schaffensphasen des Künstlers.
Über sechs Jahrzehnte Schaffenszeit Wolfgang Petricks vereint Rik Reinking in seiner Sammlung und zeigte die Entwicklung des Künstlers von den späten 1950‘er Jahren bis heute auf. Fasziniert von den existenziellen Bildwelten in Petricks Werk spürte der Sammler der zu Grunde liegenden Motivation des Künstlers nach. Die Ausstellung ließ den Besucher abermals etwas über sich selbst lernen als gesellschaftliches Wesen, geworfen in den Strom der Zeit zwischen ungekannten isolierenden Zwängen und sich grotesk wiederholender Geschichte.
Seinen künstlerischen Weg begann Wolfgang Petrick in den späten 1950er Jahren im Umfeld von Lehrern, die dem Bauhaus, dem Abstrakten Expressionismus, dem Surrealismus, der gestischen Malerei und der Art Brut verpflichtet waren.
Petrick gründete dann bereits 1964 zusammen mit Künstlern wie KH Hödicke und Markus Lüpertz die erste Produzentengalerie Großgörschen 35.
In Abgrenzung zu den aktuellen Strömungen dieser Zeit entwickelte er im Kontext des Kritischen Realismus mit den Künstlern wie Hans-Jürgen Diehl, Joachim Schmettau und Peter Sorge die Gruppe „Aspekt“, die es sich zum Ziel gesetzt hatte mit der Borniertheit und den Zwängen der deutschen Nachkriegs Gesellschaft aufzuräumen.
In den späten siebziger Jahren brach er dann auch mit dieser Bewegung. Es war nicht der letzte Stilbruch in seinem Werk. „Brüche“ ziehen sich durch seine gesamte Schaffenszeit und sind auffälligste Beständigkeit in Petricks Werk.
Es gehe ihm darum, „dem Ausstellungsbesucher einen Zustand von Veränderung und Deformation vor Augen zu führen“, sagt Petrick. Er wolle poetische, aber auch „ungenießbare Bilder und Installationen“ schaffen, die nicht einfach zu konsumieren sind. Noch heute entwickelt der Künstler mit unverminderter Neugier und von großem Schaffensdrang getrieben seine Bildwelten weiter zu neuartigen Konzepten.
Sein Gesamtwerk verweist auf die extremen Verwerfungen, denen die Gesellschaft auch in jüngster Zeit ausgesetzt ist, denn „die Städte, Gebäude, Alltagsgegenstände und mythenhaften Gestalten in den Malereien von Petrick sind zentrifugalen, alles zerreißenden Kräften ausgesetzt“ (Dr. Harald Falckenberg).
* John Ruskin
SEPTEMBER - OKTOBER 2022
THE ART OF TRENDING
THE ART OF TRENDING in ganz Deutschland
Von der prähistorischen Kunst über Picassos Guernica bis hin zu Banksys Flower Thrower hat die Kunst immer auf ihre einzigartige Weise den Moment ihrer Entstehung widergespiegelt.
Pablo Picasso hat einmal gesagt: „Die Kunst, die nicht in der Gegenwart ist, wird es nie geben“, und die Ausstellung The Art of Trending hat dies perfekt eingefangen. Ein zeitgenössisches Experiment, das die Grenzen dessen, was Kunst ist und was nicht, durch die Verwendung von Dall-e 2 erkundet hat: das KI-System, das einzigartige Bilder aus einer Beschreibung in natürlicher Sprache generiert, um Kunstwerke in Echtzeit zu erstellen.
Die Echtzeit-Kunstwerke wurden ab dem 19. September 2022 ausgestellt. Sie wurden auch in unseren sozialen Kanälen sowie auf programmatischen Werbetafeln in ganz Deutschland gezeigt. In dieser Zeit tauchten bemerkenswerte Themen auf wie der Tod von Queen Elizabeth II, Klimakatastrophen, soziale Proteste, Sportrekorde, legendäre Pensionierungen, politische Konflikte, Anonymous Auftritte, wissenschaftliche Innovationen, Paradigmenwechsel bei Disney…
JANUAR 2021 - JANUAR 2022
TERENCE, TIM & TRIER
Die Ausstellung befasst sich in einem Dreiklang mit den zentralen Themen Leben und Tod sowie der Frage nach menschlicher Identität. Die Reduzierung auf die drei großen Fragen des „Mensch sein“ hat für jeden von uns aktuelle Bedeutung.
Der kanadisch-chinesische Künstler Terence Koh verwandelt in bewusst überhöhten Selbstinszenierungen das Leben gänzlich in Kunst. In Anlehnung an Künstler wie Beuys, Byars und Warhol erfindet er sich immer wieder neu und erschafft innerhalb teils widersprüchlicher Kontexte ganz eigene Selbstdarstellungen und findet so zu seiner eigenen künstlerischen Sprache.
Seine kultisch rituellen, bisweilen geheimen Performances, die auch in Anlehnung an Rituale der großen Weltkulturen zu verstehen sind, oszillieren zwischen (Wieder-)Geburt und Tod und lassen ein Gefühl der Zeitlosigkeit entstehen. Die im WAI gezeigten Werke, Skulpturen, Relikte und Spuren aus vergangenen performativen Ausstellungen zwischen den Jahren 2003 und 2013 begleiten den Künstler auf seiner Suche nach innerem Frieden mit sich und der Welt und fordern den Besucher zugleich durch existenzielle Themen wie Tod, Wahnsinn und Selbstvergeudung. Dem Besucher wird ein intensives Ausstellungserlebnis vermittelt.
Tim steht für das Leben.
Das vom belgischen Konzeptkünstler Wim Delvoye auf dem Rücken seines menschlichen Trägers geschaffene Tattoo zeigt u.a. die Symbolik der Weltreligionen und ist als „lebendiges Kunstwerk“ Teil der neueren Kunstgeschichte. Spuren und Botschaften zeugen von Tims 6-monatiger Anwesenheit im WAI während des vergangenen Winters. Seine temporäre Abwesenheit ist Teil der Ausstellung.
Lars von Triers Installation, die auch in dessen filmischen Werk „The House that Jack built“ (2018) zu sehen war, beleuchtet den Tod aus der Perspektive eines Serienkillers und zieht eine Linie zu Dantes „La divina comedia“. Sie versteht sich als das Tor zur Hölle und wird dauerhaft unter dem Ausstellungshaus installiert bleiben.
Diese Arbeit ist nicht Bestandteil der regulären Führungen und nur auf gesonderte Anfrage zu sehen.
SEPTEMBER 2019 - DEZEMBER 2020
SAMMLUNG REINKING 01
DIMITRIS TZAMOURANIS, GRETA RAUER, PIA STADTBÄUMER
Die WAI Galleries präsentieren sich erstmals der Öffentlichkeit mit einem Auszug aus der Sammlung Reinking. In 16 Ausstellungsräumen und der großen Halle nehmen Werke der modernen und zeitgenössischen sowie indigenen Kunst zu Fragen der menschlichen Existenz Position ein.
AUSGESTELLTE KÜNSTLER
Eva Aeppli, Fernández Arman, Mary Baumeister, Banksy, Herbert Baglione, Werner Berges, Joseph Beuys, Blu, Olaf Breuning, Baldur Burwitz, Michael Buthe, James Lee Byars, César, Christo, DAIM / Mirko Reisser, Madeleine Dietz, Peter Doig, Brad Downey, Francois Dufrene, Jimmie Durham, Reinhard Drenkhahn, Henrik Eiben, Robert Filliou, Urs Frei, Gregor Gaida, Gelitin, Os Gêmeos, Ludwig Gosewitz, Damien Hirst, General Idea, Mark Jenkins, Allen Jones, Joe Jones, Horst Egon Kalinowski, Izumi Kato, Kaws, Edward & Nancy Reddin Kienholz, Imi Knoebel, Wulf Kirschner, Terence Koh, Magda Krawcewicz, Barbara Kruger, Abigail Lane, Seok Lee, Mader, Daniel Man, Mathieu Mercier, Mariko Mori, Nunca, Hermann Nitsch, Cady Noland, OBEY / Shepard Fairey, Manuel Ocampo, C.O. Paeffgen, Wolfgang Petrick, Heinz-Günter Prager, Richard Prince, Jon Pylypchuk, Arne Rautenberg, Rolf Rose, Dieter Roth, Takako Saito, Michael Schmeichel, Werner Schreib, Patrick Sellmann, Roman Signer, Dirk Skreber, Daniel Spoerri, Pia Stadtbäumer, Swoon, Jean Tinguely, Dimitris Tzamouranis, Wolf Vostell, Ben Vautier, Johannes Wohnseifer, Hedi Xandt, Herbert Zangs
APRIL 2023 - JANUAR 2024
HOMO LUDENS
ÜBER DAS SPIEL DER KUNST
„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.”
Friedrich Schiller, 1795
Ab 23. April 2023 - Mit dem Gedanken an Schillers These zum Spielelement in der Kultur gaben wir erneut Einblicke in die „Sammlung Reinking“.
In allen Kulturkreisen werden die Zwänge der Natur und die Gewalt der Triebe durch die Hingabe an das Selbstzwecklose und den Sinn für das Überflüssige im Spiel zivilisiert. Kultur ist allem voran die Verkörperung der Freiheit.
Erzählt wurde eine Geschichte der postmodernen und zeitgenössischen Kunst aus dem Geist des Spiels heraus. „Themenräume“ behandelten laborartig gesellschaftliche und kosmische Zustände und Zusammenhänge: die Suche nach Identität und Geschlecht, das Spiel mit Zeit und Raum, Körper und Natur.
Die Ausstellung zeigte in einer doppelten Deutung den „homo ludens“, den spielenden Menschen: In der Definition eines forschenden Künstlertums, das sich in Versuchsanordnungen und Abwägungen mit der eigenen Realität auseinandersetzt, seine Bildsprache definiert und so zu einem persönlichen künstlerischen Vokabular findet. Sowie im kreativen Spiel des Sammlers mit den ausgewählten Objekten. Der Sammler „malt“ sich, wie es Duchamp so treffend formuliert hat, „selbst seine Sammlung“. Indem er auswählt, kombiniert und arrangiert wird er zum „Künstler im Quadrat“. (Marcel Duchamp)
Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga unterstreicht Schillers Betrachtungen über die Ästhetik in seinem Hauptwerk „Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel“, 1938.
Das Spiel der Kunst ermuntert den Menschen mit all seinen Kräften zu spielen durch Verstand, Gefühl, Einbildungskraft, Erinnerung und Erwartung. Indem Huizinga sagt „Der moderne Apparat von Publizität, mit literarisch aufgebauschter Kunstkritik, mit Ausstellungen und Vorträgen, ist geeignet, den Spielcharakter der Kunstäußerungen zu erhöhen“ nimmt er auch das Geschehen der heutigen, uns bekannten Kunstwelt mit all ihrer Ausartung ein Stück weit vorweg.
Abseits der Wirkungswelt des „modernen Kunstapparates“ zielt die Sammlung Reinking in erster Linie auf ein sehr menschliches Sich-Erschließen der Welt.
Mal augenzwinkernd, mal mit tiefem Ernst zeigen wir über 80 internationale Künstlerpositionen in einem Kulturkreise und Generationen übergreifenden Dialog. Die Besucher und Besucherinnen sind eingeladen sich durch die Betrachtung der Werke und ihrer wechselseitigen Bezüge die Welt in ihren Facetten zu erschließen und dabei auch mehr über das eigene Selbst zu erfahren.
Zu sehen waren sind Werke von folgenden Künstlern:
Carl Andre, Hermine Anthoine, Miroslav Balka, John Baldessari, Lothar Baumgarten, Rolf Bergmeier, Joseph Beuys, Guillaume Bijl, John Bock, Baldur Burwitz, Michael Buthe, Chapman Brothers, Maurizio Cattelan, Martin Creed, Max Cole, Hanne Darboven, Samy Deluxe, Madeleine Dietz, Henrik Eiben, Johannes Esper, Brendan Fowler, Tom Früchtl, Hamish Fulton, Os Gemeos, Markus Genesius | WOW 123, Liam Gillick, Gregory Green, Katharina Grosse, Hans Haacke, Georg Herold, Horst Hellinger, Edgar Hofschen, General Idea, Christian Jankowski, Folkert DeJong, Seljia Kameric, Jon Kessler, Mike Kelley, Suchan Kinoshita, Edward und Nancy Reddin Kienholz, Franticek Klossner, Terence Koh, Magda Krawcewicz, Alicia Kwade, Peter Land, Rachel Lachowicz, Wolfgang Laib, Sherrie Levine, Maria Marshall,Thom Merrick, Jonathan Meese, Olaf Metzel, Jill Miller, Piotr Nathan, Bruce Nauman, Ernesto Neto, Tim Noble & Sue Webster, Damian Ortega, C.O.Paeffgen, Markus Paetz, Guiseppe Penone, Dan Peterman, Wolfgang Petrick, Merlin Reichart, Klaus Rinke, Ugo Rondinone, Reiner Ruthenbeck, Ursula von Rydingsvard, Sam Samore, Roman Signer, Michael Schmeichel, Werner Schreib, Patrick Sellmann, Santiago Sierra, Andreas Slominski, Haim Steinbach, Toshiya Kobayashi, Dimitris Tzamouranis, Rikuo Ueda, Vitché, Nicole Wermers, Erwin Wurm, Iskender Yediler.
APRIL 2023 - JANUAR 2024
TIMES
In der Halle der WAI Galleries zeigten wir erstmals parallel eine zweite Ausstellung.
TIMES zeigt Werke von Vanessa Beecroft, Dimitris Tzamouranis und Thomas Judisch.
Im Zentrum dieser Ausstellung stand die mehrstündige Videoarbeit „VB48“ von Vanessa Beecroft.
Am 3. Juli 2001, kurz vor der Konferenz der G8 in Genua, inszeniert die italienische Künstlerin Vanessa Beecroft im Saal des Palazzo Ducale afrikanische Migrantinnen nach der Art eines Tableau vivant. Ihr an Caravaggio erinnerndes Werk spielt mit dem Kontrast von Macht und Ohnmacht, verkörpert durch die Paläste der Stadt und die Verletzlichkeit der afrikanischen Migrantinnen, die wie verloren in dessen Mauern stehen.
Flankiert wurde „VB48“ von Malereien des griechischen Künstlers Dimitris Tzamouranis aus dessen Serie „Mare Nostrum“.
Das Konzept, das den Malereien zugrunde liegt, beruht auf dem Gebrauch einer rhetorischen Figur. Tzamouranis arbeitet in diesen Bildern mit der Figur der Verkehrung. Er zeigt in ihnen etwas, was er im Grunde gar nicht zeigt.
Seine Meeransichten bezeichnen ganz präzise Orte, die durch die geografischen Koordinaten der Titel kenntlich gemacht werden. Dort sind in der Vergangenheit Flüchtlinge bei dem Versuch, auf illegalem Weg Europa zu erreichen, mit ihren Schiffen untergegangen und gestorben. Sie wollten von Nordafrika aus auf verschiedenen Routen Griechenland oder Italien erreichen. Der Künstler ist mit seinem Boot vom griechischen Kalamata aus, seiner Geburtsstadt, diesen Fluchtwegen hinterher gesegelt. Bis dahin, wo sich die Tragödien ereignet haben. In eine von ihm erstellte Seekarte, die seine „Mare Nostrum"- Bilder begleiten, hat Dimitris Tzamouranis die Unglücksorte eingetragen. Im Grunde werden seine Werke dadurch zu Memorabilien. Mit Hilfe gemalter Allegoresen halten sie die Erinnerung an die Katastrophen wach. Absenz und Präsenz, die Toten und das Meer, sind dialektisch aufeinander bezogen.
Das Meer zeigt sich hier nicht wie in so vielen Seestücken der Vergangenheit als erhabenes Naturwunder, das es vom Betrachter andächtig zu feiern und zu bestaunen gilt, sondern eher als eine Art brüllendes Ungeheuer*.
Eine Mauer aus Schlafsäcken positionierte sich neben diesen Werken mitten im Raum. Bei genauerem Hinsehen erfährt man, das die Hüllen mit Zeitungspapier gefüllt sind. Randvoll gestopft mit täglichen Meldungen des politischen Geschehens aus aller Welt. Also doch keine echten Schlafsäcke, sondern nur das romantische Bild einer Reisegruppe oder gar die traurige Realität Jener, die auf der Flucht sind und Schutz suchen?
Die Skulptur „Tausend und eine Nacht“ von dem Dresdner Bildhauer Thomas Judisch lädt zum Gebrauch ein. Sie gibt Halt und hilft, sich mit den Werken zu verbinden.
Vanessa Beecroft | Courtesy Sammlung Reinking
Dimitris Tzamouranis | Courtesy Sammlung Reinking / Galerie Michael Haas
Thomas Judisch | Courtesy the Artist
*aus: Lebensreise. Zu den "Mare Nostrum"-Bildern von Dimitris Tzamouranis, Michael Stoeber, 2017.
MAI 2022 - JANUAR 2023
RETROSPEKTIVE WOLFGANG PETRICK
„JEDE GROSSE UND SCHÖNE ARBEIT ENTSTAND ZUNÄCHST DURCH EINEN NICHT ZURÜCKSCHRECKENDEN BLICK IN DIE DUNKELHEIT” *
Werke aus den Jahren 1958-2022
Wie lässt sich die von Verzerrungen, Deformationen und Montagen gespickte Bildwelt des 1939 in Berlin geborenen Wolfgang Petrick strukturieren und einordnen? Und wie hochaktuell ist sie in Zeiten von Pandemie, Krieg und drohender Rohstoffknappheit?
Mit der Ausstellung im WAI Woods Art Institute wurde zum ersten Mal der Versuch einer großangelegten Retrospektive dieses im besten Sinne „außerordentlichen“ deutschen Nachkriegskünstlers mit ausgeprägtem Hang zur US-Metropole New York unternommen. Gezeigt wurden Malerei, Zeichnung, Druck, Objekt, Skulptur und Installation aus allen Schaffensphasen des Künstlers.
Über sechs Jahrzehnte Schaffenszeit Wolfgang Petricks vereint Rik Reinking in seiner Sammlung und zeigte die Entwicklung des Künstlers von den späten 1950‘er Jahren bis heute auf. Fasziniert von den existenziellen Bildwelten in Petricks Werk spürte der Sammler der zu Grunde liegenden Motivation des Künstlers nach. Die Ausstellung ließ den Besucher abermals etwas über sich selbst lernen als gesellschaftliches Wesen, geworfen in den Strom der Zeit zwischen ungekannten isolierenden Zwängen und sich grotesk wiederholender Geschichte.
Seinen künstlerischen Weg begann Wolfgang Petrick in den späten 1950er Jahren im Umfeld von Lehrern, die dem Bauhaus, dem Abstrakten Expressionismus, dem Surrealismus, der gestischen Malerei und der Art Brut verpflichtet waren.
Petrick gründete dann bereits 1964 zusammen mit Künstlern wie KH Hödicke und Markus Lüpertz die erste Produzentengalerie Großgörschen 35.
In Abgrenzung zu den aktuellen Strömungen dieser Zeit entwickelte er im Kontext des Kritischen Realismus mit den Künstlern wie Hans-Jürgen Diehl, Joachim Schmettau und Peter Sorge die Gruppe „Aspekt“, die es sich zum Ziel gesetzt hatte mit der Borniertheit und den Zwängen der deutschen Nachkriegs Gesellschaft aufzuräumen.
In den späten siebziger Jahren brach er dann auch mit dieser Bewegung. Es war nicht der letzte Stilbruch in seinem Werk. „Brüche“ ziehen sich durch seine gesamte Schaffenszeit und sind auffälligste Beständigkeit in Petricks Werk.
Es gehe ihm darum, „dem Ausstellungsbesucher einen Zustand von Veränderung und Deformation vor Augen zu führen“, sagt Petrick. Er wolle poetische, aber auch „ungenießbare Bilder und Installationen“ schaffen, die nicht einfach zu konsumieren sind. Noch heute entwickelt der Künstler mit unverminderter Neugier und von großem Schaffensdrang getrieben seine Bildwelten weiter zu neuartigen Konzepten.
Sein Gesamtwerk verweist auf die extremen Verwerfungen, denen die Gesellschaft auch in jüngster Zeit ausgesetzt ist, denn „die Städte, Gebäude, Alltagsgegenstände und mythenhaften Gestalten in den Malereien von Petrick sind zentrifugalen, alles zerreißenden Kräften ausgesetzt“ (Dr. Harald Falckenberg).
* John Ruskin
Arne Rautenbergs Rede zur Eröffnung:
Heutungen und Leidbilder
– Eine Annäherung an das Werk von Wolfgang Petrick –
PDF herunterladen (38KB)
SEPTEMBER - OKTOBER 2022
THE ART OF TRENDING
Von der prähistorischen Kunst über Picassos Guernica bis hin zu Banksys Flower Thrower hat die Kunst immer auf ihre einzigartige Weise den Moment ihrer Entstehung widergespiegelt.
Pablo Picasso hat einmal gesagt: „Die Kunst, die nicht in der Gegenwart ist, wird es nie geben“, und die Ausstellung The Art of Trending hat dies perfekt eingefangen. Ein zeitgenössisches Experiment, das die Grenzen dessen, was Kunst ist und was nicht, durch die Verwendung von Dall-e 2 erkundet hat: das KI-System, das einzigartige Bilder aus einer Beschreibung in natürlicher Sprache generiert, um Kunstwerke in Echtzeit zu erstellen.
Die Echtzeit-Kunstwerke wurden ab dem 19. September 2022 ausgestellt. Sie wurden auch in unseren sozialen Kanälen sowie auf programmatischen Werbetafeln in ganz Deutschland gezeigt. In dieser Zeit tauchten bemerkenswerte Themen auf wie der Tod von Queen Elizabeth II, Klimakatastrophen, soziale Proteste, Sportrekorde, legendäre Pensionierungen, politische Konflikte, Anonymous Auftritte, wissenschaftliche Innovationen, Paradigmenwechsel bei Disney…
THE ART OF TRENDING in ganz Deutschland
JANUAR 2021 - JANUAR 2022
TERENCE, TIM & TRIER
Die Ausstellung befasst sich in einem Dreiklang mit den zentralen Themen Leben und Tod sowie der Frage nach menschlicher Identität. Die Reduzierung auf die drei großen Fragen des „Mensch sein“ hat für jeden von uns aktuelle Bedeutung.
Der kanadisch-chinesische Künstler Terence Koh verwandelt in bewusst überhöhten Selbstinszenierungen das Leben gänzlich in Kunst. In Anlehnung an Künstler wie Beuys, Byars und Warhol erfindet er sich immer wieder neu und erschafft innerhalb teils widersprüchlicher Kontexte ganz eigene Selbstdarstellungen und findet so zu seiner eigenen künstlerischen Sprache.
Seine kultisch rituellen, bisweilen geheimen Performances, die auch in Anlehnung an Rituale der großen Weltkulturen zu verstehen sind, oszillieren zwischen (Wieder-)Geburt und Tod und lassen ein Gefühl der Zeitlosigkeit entstehen. Die im WAI gezeigten Werke, Skulpturen, Relikte und Spuren aus vergangenen performativen Ausstellungen zwischen den Jahren 2003 und 2013 begleiten den Künstler auf seiner Suche nach innerem Frieden mit sich und der Welt und fordern den Besucher zugleich durch existenzielle Themen wie Tod, Wahnsinn und Selbstvergeudung. Dem Besucher wird ein intensives Ausstellungserlebnis vermittelt.
Tim steht für das Leben.
Das vom belgischen Konzeptkünstler Wim Delvoye auf dem Rücken seines menschlichen Trägers geschaffene Tattoo zeigt u.a. die Symbolik der Weltreligionen und ist als „lebendiges Kunstwerk“ Teil der neueren Kunstgeschichte. Spuren und Botschaften zeugen von Tims 6-monatiger Anwesenheit im WAI während des vergangenen Winters. Seine temporäre Abwesenheit ist Teil der Ausstellung.
Lars von Triers Installation, die auch in dessen filmischen Werk „The House that Jack built“ (2018) zu sehen war, beleuchtet den Tod aus der Perspektive eines Serienkillers und zieht eine Linie zu Dantes „La divina comedia“. Sie versteht sich als das Tor zur Hölle und wird dauerhaft unter dem Ausstellungshaus installiert bleiben.
Diese Arbeit ist nicht Bestandteil der regulären Führungen und nur auf gesonderte Anfrage zu sehen.
SEPTEMBER 2019 - DEZEMBER 2020
SAMMLUNG REINKING 01
DIMITRIS TZAMOURANIS, GRETA RAUER, PIA STADTBÄUMER
Die WAI Galleries präsentieren sich erstmals der Öffentlichkeit mit einem Auszug aus der Sammlung Reinking. In 16 Ausstellungsräumen und der großen Halle nehmen Werke der modernen und zeitgenössischen sowie indigenen Kunst zu Fragen der menschlichen Existenz Position ein.
AUSGESTELLTE KÜNSTLER
Eva Aeppli, Fernández Arman, Mary Baumeister, Banksy, Herbert Baglione, Werner Berges, Joseph Beuys, Blu, Olaf Breuning, Baldur Burwitz, Michael Buthe, James Lee Byars, César, Christo, DAIM / Mirko Reisser, Madeleine Dietz, Peter Doig, Brad Downey, Francois Dufrene, Jimmie Durham, Reinhard Drenkhahn, Henrik Eiben, Robert Filliou, Urs Frei, Gregor Gaida, Gelitin, Os Gêmeos, Ludwig Gosewitz, Damien Hirst, General Idea, Mark Jenkins, Allen Jones, Joe Jones, Horst Egon Kalinowski, Izumi Kato, Kaws, Edward & Nancy Reddin Kienholz, Imi Knoebel, Wulf Kirschner, Terence Koh, Magda Krawcewicz, Barbara Kruger, Abigail Lane, Seok Lee, Mader, Daniel Man, Mathieu Mercier, Mariko Mori, Nunca, Hermann Nitsch, Cady Noland, OBEY / Shepard Fairey, Manuel Ocampo, C.O. Paeffgen, Wolfgang Petrick, Heinz-Günter Prager, Richard Prince, Jon Pylypchuk, Arne Rautenberg, Rolf Rose, Dieter Roth, Takako Saito, Michael Schmeichel, Werner Schreib, Patrick Sellmann, Roman Signer, Dirk Skreber, Daniel Spoerri, Pia Stadtbäumer, Swoon, Jean Tinguely, Dimitris Tzamouranis, Wolf Vostell, Ben Vautier, Johannes Wohnseifer, Hedi Xandt, Herbert Zangs
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