MAI 2025 - JANUAR 2026
YOU CANNOT SAY GOODBYE TO A MYTH
FOLKERT DE JONG IM DIALOG MIT WERKEN AUS DER SAMMLUNG REINKING
Zu sehen sind Werke von folgenden Künstlern:
Steven Allan, Hermine Anthoine, Arman, Joseph Beuys, Alexandra Bircken, Jonathan Borofsky, Michael Buthe, Lawrence Caroll, César, Dinos & Jake Chapman, Mat Collishaw, Henry Coombes, Folkert de Jong, Madeleine Dietz, Felix Droese, Francois Dufrene, Jimmie Durham, Henrik Eiben, Frida Collective, Pachet Fulmen, Barnaby Furnas, Anna Gaskell, Isa Genzken, Till Gerhard, Rodney Graham, Jessica Jackson Hutchins, Son Jongjun, Edward Kienholz, Henning Kles, Douglas Kolk, Josephine Meckseper, Seung Ah Paik, Wolfgang Petrick, Mirko Reisser, Kirstine Roepstorff, Karl-Heinz Rummeny, Reiner Ruthenbeck, Werner Schreib, Markus Selg, Dirk Skreber, Agathe Snow, Daniel Spoerri, Dimitris Tzamouranis, Timm Ulrichs, Ben Vautier, Jacques Villegle, Wolf Vostell, Kelley Walker und Andy Warhol
Was bedeutet eigentlich das Sammeln von Kunst?
Es ist weit mehr als das Anhäufen von Dingen. Es ist eine zutiefst menschliche Handlung, ein Akt der Verbindung, getragen von Neugier, Erinnerung und der Suche nach Sinn. Eine Sammlung erschafft Resonanzräume, in denen Kunstwerke miteinander in Beziehung treten und Bedeutungen sich entfalten, Welten entstehen.
„Es weltet!“ oder „In der Welt sein“- so nennt der Philosoph Martin Heidegger die
grundlegende Existenzweise des menschlichen Daseins. Er betont, dass Subjekt und Welt untrennbar miteinander verbunden sind. Sein ist also nicht die bloße Existenz, sondern das Verständnis von Sein.
Kunstwerke sind mit menschlichen Erfahrungen und Emotionen aufgeladene Dinge. Die Beschäftigung mit und insbesondere das Sammeln von Kunst sind also ein Prozess, in dem sich Bedeutung, Zeit, Geschichte und Menschsein verdichten. Die Auseinandersetzung mit Kunst ist in diesem Sinne kein einsames Geschehen, sondern ein Ereignis, das im besten heideggerschen Sinn „Welt“ hervorbringt.
Die Ausstellung You Cannot Say Goodbye to a Myth lädt dazu ein, diesem Weltenöffnen zu begegnen – durch 16 Räume, 16 Stationen, 16 Momente der Auseinandersetzung mit Kunst. Sie zeigt einen Dialog über Körper und Geschichte, über Erinnerung und Mythos, über Vergänglichkeit und Verwandlung.
Im Zentrum steht das Werk des niederländischen Künstlers Folkert de Jong (*1972), dessen skulpturale Inszenierungen aus so unbeständigen Materialien wie Polyurethanschaum und Styropor ebenso verstören wie faszinieren. Seine Werke sind grotesk, bunt, geradezu verspielt – und lassen dabei tief in die menschlichen Abgründe von Machtherrschaft, Gewalt, und Traumata blicken.
De Jongs Arbeiten zeigen, wie sich kollektive Erinnerung in den Körper regelrecht einschreiben und wie brüchig und angreifbar diese Erinnerung zugleich sein kann. Die Wahl der fragilen, nicht für die Ewigkeit gemachten Materialien veranschaulicht die Wirkungskraft von Erlebtem und Geschichte auf den Menschen.
Die Ausstellung bringt de Jongs Arbeiten in einen dialogischen Bezug zu Werken aus der Sammlung Reinking – einer Sammlung, die von Neugier, Offenheit und einem tiefen Interesse an künstlerischen Ausdrucksformen geprägt ist. Eine Sammlung, die nicht nur auf ästhetischen Entscheidungen fußt, sondern eine existenzielle Bildwelt entfaltet: voller Symbole, Brüche, Mythen und Metaphern. Hier wird das Sammeln zur existenziellen Geste – ein Versuch, das Unsagbare zu fassen, Geschichte zu berühren, sich selbst zu spiegeln. In diesem Sinne ist das Sammeln auch eine Praxis des Menschseins: fragend, suchend, erinnernd.
Die Beziehung zwischen dem Künstler Folkert de Jong und dem Sammler Rik Reinking ist dabei mehr als eine kuratorische Entscheidung – sie ist ein freundschaftlicher, lebendiger Austausch. Beide eint ihr Interesse an den großen Erzählungen der Menschheit, an den Rissen und Masken westlicher Zivilisation, an der Frage, wie die Kunst Körper, Geschichte und Geist zugleich berühren kann. Die Werke in der Ausstellung stehen daher nicht nebeneinander, sondern treten in einen echten, spannungsreichen Dialog: zwischen Materialität und Konzept, zwischen Verführung und Entlarvung, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Jeder Raum dieser Ausstellung ist ein Kapitel – ein Denkraum, ein Erfahrungsfeld. Es geht um das, was bleibt, und das, was sich auflöst. Um das Flüchtige, das Festgehaltene, das Transformierte. You Cannot Say Goodbye to a Myth – der Titel ist dabei Programm. Mythen verschwinden nicht. Sie wandeln sich, leben fort in neuen Bildern, neuen Lesarten, neuen Kontexten. Sie sind Werkzeuge der Deutung und der Macht – aber auch der Hoffnung. Und sie bleiben Teil dessen, was unsere kulturelle Identität ausmacht.
Gerade in einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz Bilder generiert, in der Realität simuliert wird und digitale Oberflächen unser Leben bestimmen, soll uns diese Ausstellung an etwas Grundlegendes erinnern: Kunst ist auch körperlich. Sie hat Masse, Widerstand, Präsenz. Sie fordert uns heraus – sinnlich, emotional, intellektuell. Kunst schafft einen Raum, in dem Welt geschieht – und in dem wir uns selbst begegnen können.
Diese Ausstellung ist also eine Einladung:
zum Staunen, zum Denken, zum Fühlen. Zum Dialog mit den Werken, mit der Geschichte und bestenfalls mit uns selbst.
MAI 2025 - JANUAR 2026
BRIAN GRIFFITHS
BENEATH THE STRIDE OF GIANTS
Ein Schiff, das niemals segeln wird - und doch lädt es uns auf eine Reise ein. Brian Griffiths' Beneath The Stride of Giants ist ein monumentales Schiff, gebaut aus viktorianischen Schränken und Möbelstücken, die einst Räume füllten, Erinnerungen bewahrten und Geschichten verbargen. Nun sind sie Teil eines Gefährts, das weder Wellen noch Wind braucht, um uns in andere Welten zu entführen. Wie die Arche, die Hoffnung und Neuanfang symbolisiert, wie das Schiff, mit dem Peter Pan nach Nimmerland reist, wie das Kleiderschrank-Portal nach Narnia oder das Kaninchenloch, das Alice ins Wunderland führt - Griffiths' Werk ruft die großen Erzählungen der Kindheit in Erinnerung, die zwischen Realität und Fantasie oszillieren. Doch das Schiff bleibt an Ort und Stelle, verankert in einem Museum auf einer Anhöhe.
Hier, hoch über der Welt, erscheint das Werk wie eine Hommage an die Rastlosen, die Unerschrockenen, die von etwas Größerem träumen. Es erinnert an Fitzcarraldo, der sein Dampfschiff über einen Berg ziehen ließ, besessen von der Idee, das Unmögliche möglich zu machen. Auch Griffiths' Schiff trägt diesen Geist in sich: Es verweigert sich der Funktion, doch nicht der Vorstellungskraft. Es lädt uns ein, mit ihm in Gedanken aufzubrechen dorthin, wo Mythen entstehen, wo sich das Wirkliche und das Fantastische begegnen, wo eine Reise beginnen kann, ohne dass eine einzige Welle schlägt.
Über den Künstler:
Inspiriert von der Theatralik der Darstellungen von Vergangenheit und Zukunft in Populärkultur und Science-Fiction, verwandelt Brian Griffiths (* 1968) gefundene und technisch einfache Materialien in fantastische neue Objekte.
Obwohl Griffiths' Arbeiten sorgfältig gefertigt sind, macht er keinen Hehl aus der Natur seiner Materialien. Das absichtliche Fehlen einer Oberfläche und der zweideutige Charakter seiner Konstruktionen lassen Raum, sich vorzustellen, was genau sie sein könnten und auf welche Reisen sie einen mitnehmen könnten.
Seit seinem MA-Abschluss in Bildender Kunst am Goldsmiths College, University of London, im Jahr 1996 hat Griffiths zahlreiche Ausstellungen im Vereinigten Königreich und auf internationaler Ebene. Er lebt und arbeitet in London. Beneath the Stride of Giants entstand ursprünglich für eine Einzelausstellung im Camden Arts Centre im Jahr 2004.
MAI 2025 - JANUAR 2026
FRIDA COLLECTIVE
WE ARE THE WORLD (?)
Die Idee ist, den weltberühmten Hit We Are the World aus dem Jahr 1985 neu zu interpretieren, indem das ursprüngliche Video- und Tonmaterial mit Hilfe künstlicher Intelligenz transformiert wird. Vierzig Jahre nach der Entstehung des Songs ersetzt FRIDA die Protagonisten des ursprünglichen Musikvideos durch aktuelle politische Figuren. Despoten und umstrittene Staatsführer, die für ihre Hassreden berüchtigt sind, "singen" nun gemeinsam für eine bessere Welt. Ein Lied, das einst den Frieden und die globale Einheit symbolisierte, wird nun von Personen vorgetragen, die tief in die heutigen Konflikte verstrickt sind. Diese Gegenüberstellung schafft einen starken Kontrast zwischen der Harmonie des Liedes und den harten Realitäten der modernen Geopolitik.
Der eigentliche Clou dieses Projekts liegt in seiner Grundlage: Die von der künstlichen Intelligenz erzeugten Stimmen dieser führenden Politiker der Welt wurden ausschließlich anhand ihrer öffentlich dokumentierten Hassreden trainiert. Fast 5.000 Stunden hasserfüllter Rhetorik wurden akribisch kuratiert und in eine fortschrittliche KI-Stimmensoftware eingespeist, um das unerwartete Ergebnis zu erzeugen - ein Lied des Friedens. Doch damit nicht genug: Mithilfe modernster Bildgenerierungswerkzeuge und KI-gesteuerter Lippensynchronisationstechnologie wurde der begleitende Videoclip zum Leben erweckt, in dem Technologie und Ironie zu einem eindrucksvollen künstlerischen Statement verschmelzen.
Die Satire besteht darin, die Absurdität und Doppelmoral der heutigen politischen Kommunikation aufzuzeigen. Da die Botschaft der Solidarität und des Mitgefühls aus dem Munde von Personen erklingt, die oft zu Spaltung und Hass anstiften, hält FRIDA der Weltpolitik einen Spiegel vor. Das Werk zeigt, wie weit sich die internationale Rhetorik von den Idealen entfernt hat, die das Lied ursprünglich vertrat.
Durch satirische Verzerrung setzt sich FRIDA kritisch mit dem heutigen politischen Diskurs und der zunehmenden Verrohung der Sprache auseinander. Durch die Neuinterpretation des Originals erhält das Werk eine neue Dimension, die grundlegende Fragen aufwirft: Wie hat sich der Ton der internationalen Kommunikation entwickelt? Inwieweit haben Hass und Spaltung die frühere Vision von globaler Solidarität überschattet? Was wäre, wenn sich Hass in Frieden verwandeln würde?
In der Reihenfolge ihres Erscheinens: Donald Trump, Wladimir Putin, Kim Jong Un, Xi Jinping, Ali Khamenei, Recep Tayyip Erdoğan, Benjamin Netanjahu, Hibatullah Akhundzada, Volodymyr Zelenskyy, Javier Milei, Nicolás Maduro, Jair Bolsonaro, Daniel Ortega, Jean-Luc Mélenchon, Giorgia Meloni, Marine Le Pen und andere. Mit dieser Arbeit möchte das Künstlerkollektiv die Dringlichkeit von Diplomatie, respektvoller Kommunikation und sozialem Zusammenhalt unterstreichen. Es ist nicht nur eine provokante Kritik am aktuellen politischen Klima, sondern auch ein satirischer Appell an die Verantwortung des Einzelnen, die Sprache als Werkzeug zur Verständigung und nicht zur Spaltung einzusetzen.
Die Arbeit von FRIDA geht über bloße Sozialkritik hinaus; sie ist sowohl ein Aufruf zum Handeln als auch ein hoffnungsvolles Plädoyer für eine Rückkehr zu gegenseitigem Respekt und Demut in unseren Interaktionen.
Das Werk wird für einen begrenzten Zeitraum im Woods Art Institute ausgestellt und entfaltet sich als immersive Erzählung. Die Besucher werden sich auf eine nachdenklich stimmende Reise begeben, auf der sie die Entwicklung von der rohen Intensität der Hassreden bis hin zum Prozess des KI-Trainings verfolgen können, die in der eindrucksvollen visuellen und auditiven Erfahrung des neu gestalteten Songs und Videoclips gipfelt.
Die Sammlung Reinking freut sich, die Videoarbeit „We are the World“ des Künstlerkollektivs FRIDA in seine Sammlung aufzunehmen. In einer Zeit globaler Unsicherheiten und gesellschaftlicher Umbrüche ist es wichtiger denn je, als Institution die Stimme der Kunst zu stärken und ihre Rolle als Raum der Reflexion, des Dialogs und der Freiheit zu betonen.
Kunst schafft nicht nur neue Perspektiven, sondern verteidigt auch die Freiheit des Denkens und der Ausdrucksweise - Grundpfeiler einer offenen Gesellschaft. Die Arbeit von FRIDA nutzt dabei bewusst Satire und Ironie als kraftvolle Mittel, um gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, Widersprüche offenzulegen und einer Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.
Mit dem Erwerb von „We are the World“ setzt die Sammlung Reinking ein klares Zeichen für die Bedeutung künstlerischer Positionen, die sich mutig, scharfsinnig und vielschichtig mit den Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen.
MAI 2025 - JANUAR 2026
YOU CANNOT SAY GOODBYE TO A MYTH
FOLKERT DE JONG IM DIALOG MIT WERKEN AUS DER SAMMLUNG REINKING
Was bedeutet eigentlich das Sammeln von Kunst?
Es ist weit mehr als das Anhäufen von Dingen. Es ist eine zutiefst menschliche Handlung, ein Akt der Verbindung, getragen von Neugier, Erinnerung und der Suche nach Sinn. Eine Sammlung erschafft Resonanzräume, in denen Kunstwerke miteinander in Beziehung treten und Bedeutungen sich entfalten, Welten entstehen.
„Es weltet!“ oder „In der Welt sein“- so nennt der Philosoph Martin Heidegger die
grundlegende Existenzweise des menschlichen Daseins. Er betont, dass Subjekt und Welt untrennbar miteinander verbunden sind. Sein ist also nicht die bloße Existenz, sondern das Verständnis von Sein.
Kunstwerke sind mit menschlichen Erfahrungen und Emotionen aufgeladene Dinge. Die Beschäftigung mit und insbesondere das Sammeln von Kunst sind also ein Prozess, in dem sich Bedeutung, Zeit, Geschichte und Menschsein verdichten. Die Auseinandersetzung mit Kunst ist in diesem Sinne kein einsames Geschehen, sondern ein Ereignis, das im besten heideggerschen Sinn „Welt“ hervorbringt.
Die Ausstellung You Cannot Say Goodbye to a Myth lädt dazu ein, diesem Weltenöffnen zu begegnen – durch 16 Räume, 16 Stationen, 16 Momente der Auseinandersetzung mit Kunst. Sie zeigt einen Dialog über Körper und Geschichte, über Erinnerung und Mythos, über Vergänglichkeit und Verwandlung.
Im Zentrum steht das Werk des niederländischen Künstlers Folkert de Jong (*1972), dessen skulpturale Inszenierungen aus so unbeständigen Materialien wie Polyurethanschaum und Styropor ebenso verstören wie faszinieren. Seine Werke sind grotesk, bunt, geradezu verspielt – und lassen dabei tief in die menschlichen Abgründe von Machtherrschaft, Gewalt, und Traumata blicken.
De Jongs Arbeiten zeigen, wie sich kollektive Erinnerung in den Körper regelrecht einschreiben und wie brüchig und angreifbar diese Erinnerung zugleich sein kann. Die Wahl der fragilen, nicht für die Ewigkeit gemachten Materialien veranschaulicht die Wirkungskraft von Erlebtem und Geschichte auf den Menschen.
Die Ausstellung bringt de Jongs Arbeiten in einen dialogischen Bezug zu Werken aus der Sammlung Reinking – einer Sammlung, die von Neugier, Offenheit und einem tiefen Interesse an künstlerischen Ausdrucksformen geprägt ist. Eine Sammlung, die nicht nur auf ästhetischen Entscheidungen fußt, sondern eine existenzielle Bildwelt entfaltet: voller Symbole, Brüche, Mythen und Metaphern. Hier wird das Sammeln zur existenziellen Geste – ein Versuch, das Unsagbare zu fassen, Geschichte zu berühren, sich selbst zu spiegeln. In diesem Sinne ist das Sammeln auch eine Praxis des Menschseins: fragend, suchend, erinnernd.
Die Beziehung zwischen dem Künstler Folkert de Jong und dem Sammler Rik Reinking ist dabei mehr als eine kuratorische Entscheidung – sie ist ein freundschaftlicher, lebendiger Austausch. Beide eint ihr Interesse an den großen Erzählungen der Menschheit, an den Rissen und Masken westlicher Zivilisation, an der Frage, wie die Kunst Körper, Geschichte und Geist zugleich berühren kann. Die Werke in der Ausstellung stehen daher nicht nebeneinander, sondern treten in einen echten, spannungsreichen Dialog: zwischen Materialität und Konzept, zwischen Verführung und Entlarvung, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Jeder Raum dieser Ausstellung ist ein Kapitel – ein Denkraum, ein Erfahrungsfeld. Es geht um das, was bleibt, und das, was sich auflöst. Um das Flüchtige, das Festgehaltene, das Transformierte. You Cannot Say Goodbye to a Myth – der Titel ist dabei Programm. Mythen verschwinden nicht. Sie wandeln sich, leben fort in neuen Bildern, neuen Lesarten, neuen Kontexten. Sie sind Werkzeuge der Deutung und der Macht – aber auch der Hoffnung. Und sie bleiben Teil dessen, was unsere kulturelle Identität ausmacht.
Gerade in einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz Bilder generiert, in der Realität simuliert wird und digitale Oberflächen unser Leben bestimmen, soll uns diese Ausstellung an etwas Grundlegendes erinnern: Kunst ist auch körperlich. Sie hat Masse, Widerstand, Präsenz. Sie fordert uns heraus – sinnlich, emotional, intellektuell. Kunst schafft einen Raum, in dem Welt geschieht – und in dem wir uns selbst begegnen können.
Diese Ausstellung ist also eine Einladung:
zum Staunen, zum Denken, zum Fühlen. Zum Dialog mit den Werken, mit der Geschichte und bestenfalls mit uns selbst.
Zu sehen sind Werke von folgenden Künstlern:
Steven Allan, Hermine Anthoine, Arman, Joseph Beuys, Alexandra Bircken, Jonathan Borofsky, Michael Buthe, Lawrence Caroll, César, Dinos & Jake Chapman, Mat Collishaw, Henry Coombes, Folkert de Jong, Madeleine Dietz, Felix Droese, Francois Dufrene, Jimmie Durham, Henrik Eiben, Frida Collective, Pachet Fulmen, Barnaby Furnas, Anna Gaskell, Isa Genzken, Till Gerhard, Rodney Graham, Jessica Jackson Hutchins, Son Jongjun, Edward Kienholz, Henning Kles, Douglas Kolk, Josephine Meckseper, Seung Ah Paik, Wolfgang Petrick, Mirko Reisser, Kirstine Roepstorff, Karl-Heinz Rummeny, Reiner Ruthenbeck, Werner Schreib, Markus Selg, Dirk Skreber, Agathe Snow, Daniel Spoerri, Dimitris Tzamouranis, Timm Ulrichs, Ben Vautier, Jacques Villegle, Wolf Vostell, Kelley Walker und Andy Warhol
MAI 2025 - JANUAR 2026
BRIAN GRIFFITHS
BENEATH THE STRIDE OF GIANTS
Ein Schiff, das niemals segeln wird - und doch lädt es uns auf eine Reise ein. Brian Griffiths' Beneath The Stride of Giants ist ein monumentales Schiff, gebaut aus viktorianischen Schränken und Möbelstücken, die einst Räume füllten, Erinnerungen bewahrten und Geschichten verbargen. Nun sind sie Teil eines Gefährts, das weder Wellen noch Wind braucht, um uns in andere Welten zu entführen. Wie die Arche, die Hoffnung und Neuanfang symbolisiert, wie das Schiff, mit dem Peter Pan nach Nimmerland reist, wie das Kleiderschrank-Portal nach Narnia oder das Kaninchenloch, das Alice ins Wunderland führt - Griffiths' Werk ruft die großen Erzählungen der Kindheit in Erinnerung, die zwischen Realität und Fantasie oszillieren. Doch das Schiff bleibt an Ort und Stelle, verankert in einem Museum auf einer Anhöhe.
Hier, hoch über der Welt, erscheint das Werk wie eine Hommage an die Rastlosen, die Unerschrockenen, die von etwas Größerem träumen. Es erinnert an Fitzcarraldo, der sein Dampfschiff über einen Berg ziehen ließ, besessen von der Idee, das Unmögliche möglich zu machen. Auch Griffiths' Schiff trägt diesen Geist in sich: Es verweigert sich der Funktion, doch nicht der Vorstellungskraft. Es lädt uns ein, mit ihm in Gedanken aufzubrechen dorthin, wo Mythen entstehen, wo sich das Wirkliche und das Fantastische begegnen, wo eine Reise beginnen kann, ohne dass eine einzige Welle schlägt.
Über den Künstler:
Inspiriert von der Theatralik der Darstellungen von Vergangenheit und Zukunft in Populärkultur und Science-Fiction, verwandelt Brian Griffiths (* 1968) gefundene und technisch einfache Materialien in fantastische neue Objekte.
Obwohl Griffiths' Arbeiten sorgfältig gefertigt sind, macht er keinen Hehl aus der Natur seiner Materialien. Das absichtliche Fehlen einer Oberfläche und der zweideutige Charakter seiner Konstruktionen lassen Raum, sich vorzustellen, was genau sie sein könnten und auf welche Reisen sie einen mitnehmen könnten.
Seit seinem MA-Abschluss in Bildender Kunst am Goldsmiths College, University of London, im Jahr 1996 hat Griffiths zahlreiche Ausstellungen im Vereinigten Königreich und auf internationaler Ebene. Er lebt und arbeitet in London. Beneath the Stride of Giants entstand ursprünglich für eine Einzelausstellung im Camden Arts Centre im Jahr 2004.
MAI 2025 - JANUAR 2026
FRIDA COLLECTIVE
WE ARE THE WORLD (?)
Die Idee ist, den weltberühmten Hit We Are the World aus dem Jahr 1985 neu zu interpretieren, indem das ursprüngliche Video- und Tonmaterial mit Hilfe künstlicher Intelligenz transformiert wird. Vierzig Jahre nach der Entstehung des Songs ersetzt FRIDA die Protagonisten des ursprünglichen Musikvideos durch aktuelle politische Figuren. Despoten und umstrittene Staatsführer, die für ihre Hassreden berüchtigt sind, "singen" nun gemeinsam für eine bessere Welt. Ein Lied, das einst den Frieden und die globale Einheit symbolisierte, wird nun von Personen vorgetragen, die tief in die heutigen Konflikte verstrickt sind. Diese Gegenüberstellung schafft einen starken Kontrast zwischen der Harmonie des Liedes und den harten Realitäten der modernen Geopolitik.
Der eigentliche Clou dieses Projekts liegt in seiner Grundlage: Die von der künstlichen Intelligenz erzeugten Stimmen dieser führenden Politiker der Welt wurden ausschließlich anhand ihrer öffentlich dokumentierten Hassreden trainiert. Fast 5.000 Stunden hasserfüllter Rhetorik wurden akribisch kuratiert und in eine fortschrittliche KI-Stimmensoftware eingespeist, um das unerwartete Ergebnis zu erzeugen - ein Lied des Friedens. Doch damit nicht genug: Mithilfe modernster Bildgenerierungswerkzeuge und KI-gesteuerter Lippensynchronisationstechnologie wurde der begleitende Videoclip zum Leben erweckt, in dem Technologie und Ironie zu einem eindrucksvollen künstlerischen Statement verschmelzen.
Die Satire besteht darin, die Absurdität und Doppelmoral der heutigen politischen Kommunikation aufzuzeigen. Da die Botschaft der Solidarität und des Mitgefühls aus dem Munde von Personen erklingt, die oft zu Spaltung und Hass anstiften, hält FRIDA der Weltpolitik einen Spiegel vor. Das Werk zeigt, wie weit sich die internationale Rhetorik von den Idealen entfernt hat, die das Lied ursprünglich vertrat.
Durch satirische Verzerrung setzt sich FRIDA kritisch mit dem heutigen politischen Diskurs und der zunehmenden Verrohung der Sprache auseinander. Durch die Neuinterpretation des Originals erhält das Werk eine neue Dimension, die grundlegende Fragen aufwirft: Wie hat sich der Ton der internationalen Kommunikation entwickelt? Inwieweit haben Hass und Spaltung die frühere Vision von globaler Solidarität überschattet? Was wäre, wenn sich Hass in Frieden verwandeln würde?
In der Reihenfolge ihres Erscheinens: Donald Trump, Wladimir Putin, Kim Jong Un, Xi Jinping, Ali Khamenei, Recep Tayyip Erdoğan, Benjamin Netanjahu, Hibatullah Akhundzada, Volodymyr Zelenskyy, Javier Milei, Nicolás Maduro, Jair Bolsonaro, Daniel Ortega, Jean-Luc Mélenchon, Giorgia Meloni, Marine Le Pen und andere. Mit dieser Arbeit möchte das Künstlerkollektiv die Dringlichkeit von Diplomatie, respektvoller Kommunikation und sozialem Zusammenhalt unterstreichen. Es ist nicht nur eine provokante Kritik am aktuellen politischen Klima, sondern auch ein satirischer Appell an die Verantwortung des Einzelnen, die Sprache als Werkzeug zur Verständigung und nicht zur Spaltung einzusetzen.
Die Arbeit von FRIDA geht über bloße Sozialkritik hinaus; sie ist sowohl ein Aufruf zum Handeln als auch ein hoffnungsvolles Plädoyer für eine Rückkehr zu gegenseitigem Respekt und Demut in unseren Interaktionen.
Das Werk wird für einen begrenzten Zeitraum im Woods Art Institute ausgestellt und entfaltet sich als immersive Erzählung. Die Besucher werden sich auf eine nachdenklich stimmende Reise begeben, auf der sie die Entwicklung von der rohen Intensität der Hassreden bis hin zum Prozess des KI-Trainings verfolgen können, die in der eindrucksvollen visuellen und auditiven Erfahrung des neu gestalteten Songs und Videoclips gipfelt.
Die Sammlung Reinking freut sich, die Videoarbeit „We are the World“ des Künstlerkollektivs FRIDA in seine Sammlung aufzunehmen. In einer Zeit globaler Unsicherheiten und gesellschaftlicher Umbrüche ist es wichtiger denn je, als Institution die Stimme der Kunst zu stärken und ihre Rolle als Raum der Reflexion, des Dialogs und der Freiheit zu betonen.
Kunst schafft nicht nur neue Perspektiven, sondern verteidigt auch die Freiheit des Denkens und der Ausdrucksweise - Grundpfeiler einer offenen Gesellschaft. Die Arbeit von FRIDA nutzt dabei bewusst Satire und Ironie als kraftvolle Mittel, um gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, Widersprüche offenzulegen und einer Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.
Mit dem Erwerb von „We are the World“ setzt die Sammlung Reinking ein klares Zeichen für die Bedeutung künstlerischer Positionen, die sich mutig, scharfsinnig und vielschichtig mit den Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen.
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